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Griechenland Krise: Das verpatzte Comeback des Währungsfonds

Griechenland Krise: Das verpatzte Comeback des Währungsfonds

By am Jul 1, 2015 in Wirtschaftsdepression | 0 comments

Athen kann seine Schulden beim IWF vorerst nicht zurückzahlen. Ökonomen warnen vor einer existenziellen Krise der Washingtoner Institution

Wien – Die Zentrale des Internationalen Währungsfonds in der 19th Street in Washington D.C. liegt in unmittelbarer Nähe all jener Wahrzeichen, die in der Welt die Macht der USA symbolisieren sollen. Das Weiße Haus etwa ist nur einen kurzen Spaziergang entfernt. Doch das IWF-Gebäude wirkt nicht repräsentativ. Das beige Haus ist zwölf Stockwerke hoch, mit wenigen Ausnahmen sind die Büros im Inneren klein und dunkel. In der Eingangshalle sorgt ein Atrium für Sonnenlicht. Doch das wird gerade renoviert, weshalb es zurzeit dank der Bohrerei im Gebäude nicht nur dunkel, sondern auch noch laut ist.

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Am Dienstagabend erlebte der Fonds die nächste Erschütterung: Griechenland hat die Frist zur Rückzahlung von 1,6 Milliarden Euro an den IWF verstreichen lassen. Seit Tagen war klar, dass die Regierung das Geld nicht auftreiben kann. Damit reiht sich Griechenland in eine Reihe von Staaten wie Sudan, Kuba und Somalia, die ihre Zahlungen an den IWF nicht pünktlich leisten konnten. Zuletzt eine Frist versäumt hat Simbabwe im Jahr 2001.

Keine unmittelbaren Konsequenzen

In der Praxis gibt es weder für den Währungsfonds noch für Griechenland unmittelbare Konsequenzen. IWF-Chefin Christine Lagarde muss das Direktorium informieren und Griechenland auf die Zahlung des Geldes drängen. Dennoch glauben Ökonomen wie Vladimir Gligorov, der die Arbeit des Währungsfonds seit Jahrzehnten verfolgt, dass die Washingtoner Institution „erneut in eine existenzielle Krise“ rutschen könnte.

Nicht wegen der verspäteten Zahlung an sich. Doch der Ausfall steht symbolisch dafür, wie verheerend schlecht die Bilanz des IWF in Griechenland ist, sagt Gligorov. Die Wirtschaft des Landes ist seit Beginn des IWF-Programms 2010 um rund 25 Prozent eingebrochen. Griechenland ist trotzdem nicht saniert und steht seit fünf Jahren knapp vor der Pleite. „Angesichts solcher Zahlen wird es sich künftig jeder Staat dreimal überlegen, ob man sich an den Fonds wenden soll“, sagt Gligorov.

Fonds war diskreditiert

Dabei war alles anders geplant. Die Mission in Griechenland sollte der krönende Abschluss eines Comebacks sein. Ein Blick zurück.

Die größtenteils fatalen Interventionen in Südamerika, Asien und Russland in den 90er-Jahren hatten den Fonds lange diskreditiert. Seine Kunden, klamme Staaten, machten einen großen Bogen um ihn. 2006 schrieb der britische Economist, dass der Währungsfonds nicht einmal mehr „eine Katze zum Retten“ habe. Doch mit Ausbruch der Krise 2008 änderte sich das schlagartig.

Das Comeback

Der IWF fing Griechenland, Portugal und Irland ebenso auf wie zahlreiche Staaten in Osteuropa (Lettland, Rumänien, Ungarn). In drei Jahren schwoll die Summe der Kreditzusagen von zwei auf 180 Milliarden Dollar an, wenn auch ein großer Teil dieser Mittel nie abgerufen wurde. Dabei führte der Einsatz in Griechenland von Beginn an zu Spannungen im Fonds.

Zunächst hatte man als Folge der Argentinien-Krise 2000/01 die Kriterien für die Kreditvergabe geändert. Länder sollten nur noch dann Geld bekommen, wenn sicher war, dass der betreffende Staat nicht überschuldet war. Im Fall Griechenlands war das fraglich, weshalb der damalige IWF-Chef Dominque Strauss-Kahn die Regeln ohne lange Debatte aufweichen ließ. Mehrere Länder, darunter Brasilien, die Schweiz und Argentinien, protestierten gegen die Änderung vergeblich.

Internes Gerangel

Und das war nicht der einzige Konflikt. Der frühereWashington Post-Journalist Paul Blustein hat im April auf Basis zahlreicher Interviews mit IWF-Mitarbeitern eine spannende Zusammenfassung der Ereignisse rund um das erste Rettungspaket für Griechenland im Mai 2010 veröffentlicht.

Wie Blustein zeigt, tobte im IWF ein Kampf bezüglich der Frage, ob Griechenland einen Schuldenschnitt braucht. Memos aus der Zeit zeigen, dass vor allem das European Department, das für Operationen in der EU verantwortlich ist, einen Haircut strikt ablehnte. Man solle diesen nicht einmal in Erwägung ziehen, schrieb Marek Belka, damals Chef der Europaabteilung. Ein Schuldenschnitt würde die Märkte destabilisieren.

Widerstand gegen Haircut

Auf der anderen Seite forderte das ebenso mächtige Strategy, Policy and Review Department unter Leitung des britisch-iranischen Ökonomen Reza Moghadam den Haircut, weil Griechenland nur so zu retten sei. Viel stand auf dem Spiel. Griechenland schuldete damals allein französischen Banken 60 Milliarden Euro. Der Ausgang des Konflikts ist bekannt, der Haircut kam nicht. Auch in Europa, besonders bei der Europäischen Zentralbank, war der Widerstand zu groß.

Dieser Konflikt ist in vielerlei Hinsicht exemplarisch für die internen Spannungen. In den vergangenen Jahren haben diverse IWF-Abteilungen dutzende Analysen veröffentlicht, die vor zu radikalen Einsparungen warnen. Der Chefökonom Olivier Blanchard ließ 2012 sogar eine Studie über die Schädlichkeit übertriebener Sparpakete veröffentlichen. Doch die Leute „on the ground“, die in Abstimmung mit den Europäern die Programme ausarbeiten, blieben auf Kurs. Ein Mix aus Liberalisierung und strikter Austeritätspolitik sollte Griechenland auf den Wachstumspfad bringen.

Schwenk um 180 Grad

Seit etwa 2012, 2013 ist der IWF in der Frage des Schuldenschnitts endgültig umgeschwenkt. Seither ruft er die Euroländer mal mehr, mal weniger deutlich dazu auf, Griechenland einen Teil seiner Verbindlichkeiten zu erlassen. Aus Sicht des IWF ist die Forderung nach dem Haircut freilich leicht möglich: Da der Fonds sich laut seinen Statuten nie an einem Schuldenschnitt beteiligt, steht ja nicht sein Geld auf dem Spiel, sondern allein jenes der europäischen Steuerzahler. (András Szigetvari, 1.7.2015)
Quelle: xing-news

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